Zentrale Landesmeisterschaft in Duisburg: Begeisternde Premiere
Von Kai Gemeinder
Das gab es noch nie: In Duisburg wurde am 14. Juni 2022 das nordrhein-westfälische Landesfinale von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics erstmals in einer zentralen Veranstaltung ausgerichtet.
Über 2.000 Schüler*innen kämpften in zehn olympischen und drei paralympischen Sportarten um 41 Landestitel und die begehrten Tickets für das Berliner Herbstfinale 2022, wobei fast alle Entscheidungen im Sportpark Duisburg fielen. Prominente Gäste wie Hockey-Olympiasiegerin Tina Bachmann und Hochsprung-Europameister Mateusz Przybylko zeigten sich begeistert und sprachen anschließend von „Klein-Olympia“. Nicht nur ihnen und den Teilnehmer*innen wird der Tag in bester Erinnerung bleiben. Wenn es nach Duisburgs Oberbürgermeister Sören Link geht, dürfte sich die gelungene Premiere gerne im nächsten Jahr wiederholen.
Es ist der Traum zahlloser Sporttalente: Die Teilnahme an Olympischen oder Paralympischen Spielen. Warum das so ist? Sich mit den Besten zu messen und dabei das eigene Land zu vertreten; sich als Teil einer großen Sportfamilie zu fühlen, wenn man unter tausenden Athlet*innen aus unterschiedlichsten Sportarten zum friedlichen Wettstreit zusammenkommt, verbunden mit der Gelegenheit, über den Tellerrand der eigenen Disziplin hinauszublicken; nach dem eigenen Wettbewerb in die Zuschauerrolle zu schlüpfen und andere anzufeuern; bei stimmungsvollen Ehrungszeremonien den Sieger*innen Respekt zu erweisen und bestenfalls selbst eine Medaille entgegenzunehmen; Sportidole zu treffen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt, und sich mit Gleichgesinnten auszutauschen – all das macht den Reiz von Olympia, den Reiz der Paralympics aus.
Zumindest einen kleinen Vorgeschmack darauf erhalten auf Schulebene diejenigen, die an den Bundesfinalveranstaltungen von Jugend trainiert für Olympia & Paralympics teilnehmen dürfen. Aber wer schafft das schon? Traditionell stellt Nordrhein-Westfalen bundesweit die meisten Starter*innen bei „Jugend trainiert“. Vor der Pandemie nahmen jährlich fast 140.000 an den Stadt- und Kreisfinals, den Regionalentscheiden und Landesfinalwettbewerben teil, die auf allen Wettkampfebenen zumeist nach Sportarten getrennt durchgeführt werden. Nur einige Hundert Schulsporttalente qualifizieren sich am Ende für eines der drei Bundesfinals im Frühjahr, Herbst oder Winter.
Umso höher ist der Wert des zentralen Landesfinales in Nordrhein-Westfalen einzuschätzen. Hier kamen nun auch Schüler*innen in den Genuss eines solchen Multisportevents, denen der Sprung zum Bundesfinale – geschweige denn zu Olympia oder den Paralympics – womöglich nie gelingen wird. So hat das Land NRW mit seiner gelungenen Veranstaltung den olympischen und paralympischen Geist ein Stück weit in die Breite getragen und damit große Begeisterung bei den mehr als 2.000 Schüler*innen sowie den anwesenden prominenten Gästen ausgelöst. „Nach nunmehr zwei Jahren relativer Durststrecke im Wettkampfsektor, glaube ich, es ist das richtige Signal, dass wir heute hier bei herrlichem Wetter in Duisburg einfach durchstarten“, sagte Birgit Schaffrath, stellvertretende Referatsleiterin Leistungssport in der Abteilung Sport und Ehrenamt der Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen. Und das bei „traumhaften Bedingungen im Sportpark“ mit kurzen Wegen zwischen den einzelnen Sportstätten.
„Viel Spaß in Berlin. Gebt da alles“
Der vielbeschriebene „Olympic Spirit“ war an diesem 14. Juni im Sportpark Duisburg vielfach zu spüren. Am deutlichsten vielleicht in der Judohalle, als selbst nach Beendigung des letzten Finalkampfes der männlichen WK III noch unklar blieb, welche Schule als Sieger von der Matte gegangen war. Zwar konnte die Gesamtschule Berger Feld Gelsenkirchen drei der fünf Kämpfe für sich entscheiden. Das Ruhr-Gymnasium Witten aber hatte in seinen beiden siegreichen Duellen höhere Wertungen erzielt, was in der Endabrechnung mit berücksichtigt wird. Nach bangen Minuten des Wartens stand fest: Das vermeintlich unterlegene Team aus Witten hatte den Landesmeistertitel gewonnen und darf zum Bundesfinale reisen. Die Judoka aus Witten begannen zu jubeln, und doch war die Stimme des gegnerischen Betreuers Mohsen Ghaffar deutlich zu hören. „Viel Spaß in Berlin. Gebt da alles“, rief er den Jungen aus Witten zu. Eine große und faire Geste im Moment der denkbar unglücklichen und knappen Niederlage. Respekt sei das erste, das man im Judosport lerne, erklärte der Lehrer aus Gelsenkirchen im Anschluss seine Reaktion. Er gehe davon aus, dass es umgekehrt nicht anders gewesen wäre.
Sportstars übergeben Medaillen und Pokale
Ein Highlight für alle Schüler*innen war nach Abschluss der Wettbewerbe die in drei Blöcken durchgeführte Siegerehrung im Fußballstadion des MSV Duisburg. Lilli, Lotte, Pia und Julia vom Theodor-Heuss-Gymnasium Essen, die sich im Rudern für das Bundesfinale qualifiziert haben, meinten unmittelbar vor der Medaillenübergabe: „Es war richtig, richtig cool heute. Vor allem jetzt hier mit allen im Stadion zu sein, mit den anderen Sportarten zusammen, ist cool. Das ist man ja sonst nicht so gewohnt“, sagen sie. Aus Berlin allerdings kennen sie das schon. Denn auch beim letzten Herbstfinale von „Jugend trainiert“, das im September 2019 stattfand, waren sie dabei: „Das war echt überwältigend, diese ganzen verschiedenen Sportarten. Auch bei den anderen zuzuschauen, war toll. Gefühlt wie beim richtigen Olympia.“
Beim Landesfinale in Duisburg trug sicherlich auch die Liste hochkarätiger Gäste zu bester Stimmung unter den Nachwuchssportler*innen bei. Neben Sören Link, Duisburgs Oberbürgermeister, und Roland Bürger, DFB Kommissionsmitglied für Schulfußball, übernahmen folgende Sportstars die Übergabe der Pokale und Medaillen: Hockeyolympiasiegerin Tina Bachmann, Fußball-Welt- und Europameisterin Maren Meinert, die fünffache Paralympics-Silbermedaillengewinnerin und 200 m Weltrekordhalterin im Para Sprint, Irmgard Bensusan, sowie Hochsprung-Europameister Mateusz Przybylko.
Eine Begegnung der besonderen Art erlebten die siegreichen Leichtathleten des Landrat-Lucas-Gymnasiums Leverkusen bei der Siegerehrung. Überreicht bekamen die Jungen der WK II ihren Pokal nämlich von einem Lehrer der eigenen Schule, der an diesem Tag sogar als Betreuer ihres Leverkusener Leichtathletikteams vor Ort war. Kein Prominenter also in diesem Fall? Doch. Bei besagtem Lehrer handelte es sich um keinen geringeren als den Olympiasieger sowie Welt- und Europameister im Beachvolleyball, Jonas Reckermann, der neben seiner schulischen Funktion als Betreuer auch gerne einen offiziellen Part bei den Siegerehrungen übernahm. Für die Veranstaltung fand er überaus lobende Worte: „Das war heute alles sehr groß und bunt. Bei den Leichtathleten kamen später auch die Judoka und Fußballer unserer Schule dazu und da entsteht schon ein Gemeinschaftsgefühl, aber nicht nur innerhalb der Schulen, sondern auch sportartübergreifend. Ich finde es super. Aus meiner Sicht ist das der Weg, den man gehen kann und sollte. Wir sind eine große Sportfamilie und die gehört auch zusammen.“
„Da kriege ich schon wieder Gänsehaut“
„Wenn ich das hier sehe, kriege ich schon wieder Gänsehaut, meinte auch Tina Bachmann, die mittlerweile als Lehrerin an einer sportbetonten Grundschule arbeitet. „Es ist ein kleines Olympia hier. Denn das macht ja die Olympischen Spiele aus. Dass verschiedene Sportarten zusammenkommen.“ Von der Idee des zentralen Landesfinales zeigte sich auch Duisburgs Oberbürgermeister sehr angetan: „Ich glaube, das ist ein super Modell für die Zukunft.“ Sören Link würde es begrüßen, wenn es erneut zum Treffen der besten Schulteams des Landes im Sportpark käme. „Herzlich gerne wieder in Duisburg“, sagte er.
Die Gesamtorganisation der Zentralveranstaltung lag bei der Landesstelle für den Schulsport sowie dem Ausschuss für den Schulsport der Stadt Duisburg. In Zusammenarbeit mit den Sportfachverbänden sowie den ansässigen Vereinen und mit der Unterstützung vieler ehrenamtlicher Helfer*innen haben die Verantwortlichen nach langer, pandemiebedingter Zwangspause des Schulsportwettbewerbs einen fulminanten Neustart in Nordrhein-Westfalen hingelegt. Das sogenannte „Landessportfest der Schulen“ wird allen Beteiligten in bester Erinnerung bleiben.
Stimmen und Highlights des Tages hat das Medienteam der Deutschen Schulsportstiftung in einem Video sowie in einer Bildergalerie festgehalten.